Ein Kosmos aus Saiten – Birgit Schwab und Daniel Ahlert

Sollte sich in einhundert oder zweihundert Jahren eine Musikhistorikerin fragen, warum am Ende des zwanzigsten und in den ersten Jahrzehnten des einundzwanzigsten Jahrhundert so viele hervorragende Musik für die ungewöhnliche Duobesetzung Gitarre und Mandoline entstanden ist, so wird diese Historikerin, nicht einmal viel Cleverness vorausgesetzt, schnell auf eine Antwort stoßen: weil Birgit Schwab und Daniel Ahlert mit über siebzig ihrer zeitgenössischen Komponisten in Kontakt getreten sind und um Stücke gebeten haben.

Warm machen ist wichtig

Das ist sozusagen das Geschäftsmodell: Komponisten schreiben für das Duo Ahlert/Schwab, die beiden führen die Stücke in ihren Konzerten auf, geben sie in ihrem eigenen Musikverlag (Corvus) heraus, machen CDs mit dieser Musik. Damit verfügen sie über ein höchst originelles und originäres Repertoire und die beiden stehen dafür, dass dieses für Mandoline/Gitarre ständig erweitert, auf hohem und höchstem Niveau entwickelt und zugleich im besten Sinne populär wird.

Da wird gleich Musik draus

Beim 6. Rissener Klappstuhlkonzert haben Daniel Ahlert (Mandoline) und Birgit Schwab (Gitarre) ihr Jubiläumsprogramm mit dem Titel „Back to the Roots – Highlights der letzten 25 Jahre“ einem erst neugierigen, dann begeisterten Publikum dargeboten.

Beide beherrschen ihre Instrumente virtuos, stellen ihre technische Brillianz aber immer in den Dienst der Musik. Rhythmische Präzision, fesselnde Dynamik und glasklarer Klang zeichnen das Spiel des Duos aus.

Manchmal muss Musik auch erklärt werden

Das Konzert begann mit „Minstrels“ des französischen Komponisten Claude Engel, der mit modernen Klängen die Atmosphäre eines mittelalterlichen Königshofs lebendig bebildert. Es folgten die „Variationen über ein eigenes Thema Op.92“ von Thomas Schmidt-Kowalski, dessen neo-romantische Musik stets im tonalen Raum bleibt und der in diesem Stück Stimmungen variiert: erregt, hymnisch, heiter. Es folgte ein noch recht neues Stück des Italieners Gian Paolo Chiti, „Doppelgänger“. Da bewegen sich zwei, spiegeln sich ineinander, verstecken sich voreinander, verschwindende Schatten, ein unsichtbarer, endloser Kreis – und Schubert und Bach kann man entdecken, wenn man sehr genau hinhört – ein tolles Stück! Den Abschluss des ersten Teils bildete „Erg“ des amerikanischen Komponisten Jeffrey Harrington, ein Stück, im Umfeld von 9/11 geschrieben, heute aktueller und spannender denn je: Ost und West, die Verwandlung arabischer Klänge in europäische Klassik, die Mutation einer Blueslinie in eine arabische Weise. Ost und West verschmelzen, gewaltfrei, kreativ. Politisch relevanter kann moderne Musik kaum sein.

Und nach der Pause hoben Birigt und Daniel ein neues Stück aus der Taufe, eine Uraufführung, zum 93zigsten Mal in ihrer Karriere. „Fantasiestück – eine Krone aus silbern Licht“ von Jeffrey Hoover. Federleichte Harmonien und ein Publikum, das den Atem anhielt,  die Geburtsmomente eines neuen Stücks gebannt verfolgte. Die acht Bagatellen von Tom Febonio – charmante Musik, geradezu hitverdächtig. Kein Wunder, startete Febonio seine Musikerkarriere doch in einer Rockband. Den Abschluss bildete die „Hallucination for Two“ der amerikanischen Komponistin Mina Kaiser. In diesen drei Sätzen fassten die Künstler den Abend noch einmal zusammen; die Klänge führten im letzten Satz, der „Delirioso“ überschrieben ist, direkt in den begeisterten Applaus des hingerisssenen Publikums, das sich einmütig für diese wunderbare Musik, diesen neu erhörten Kosmos aus Saiten bedankte.

Weiß jeder wo sein Klappstuhl ist?

Als Zugabe dann George Gershwin – dieses Mal ein Stück, dass die beiden aus der Oper „Porgy and Bess“ für ihre Instrumente selbst adaptiert hatten. Im wahrsten Sinne „beswingt“ schloss dieser großartige musikalische Abend.

Und als knapp zwei Stunden später die letzten Gäste das Haus verlassen hatten, wir uns von Birgit und Daniel verabschieden mussten, da wussten wir ganz sicher: Klappstuhlkonzerte wollen wir noch oft veranstalten.

 

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