Die Magie der siebten Saite

Ich weiß nicht, wer sich erinnert: an das Gesicht von Gerard Depardieu als Marin Marais, der auf sein Leben zurückblickt, Triumph und Verbitterung, Erfolg – aber auch um den Preis, sich Neuem nicht mehr öffnen zu können. Der Film „Die siebente Saite“ von 1991 feiert die französische Barockmusik der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts – und die Sinnlichkeit, die Magie von Leichtigkeitund Klarheit, aber auch die Kontrolle über den Affekt, vielleicht das eigentlich „höfische“ dieser Musik, wurden eindringlich dargeboten vom wundervollen „Duo in Re“.

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Anja Engelberg und die Viola da Gamba

 

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Premek Hajek stellt die imponierende Theorbe vor

Anja Engelberg (Viola da Gamba)  und Premek Hajek (Barockgitarre und Theorbe) boten den rund dreißig Zuhörern ein selten gehörtes Programm – eine Musik, die für viele Neuland war. Und sie schafften es leicht, jederfrau und jederman zu öffnen, eine Hinwendung zu diesen Klängen zu erreichen. Die Intensität der Darbietung, die Perfektion in der Ausführung, ein wunderbares Erlebnis an einem Sommerabend, der ganz im Zeichen kultivierter Begegnung stand.

 

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Anja und Premek – ganz bei sich

Die pure Freude Anja und Premek in ihrem Zusammenspiel zu beobachten: wie aufmerksam sie aufeinander eingehen, stets im Kontakt miteinander, die Augen sind so wichtig wie die ausführenden Hände und manches Lächeln von Anja wird zum Kommentar auf die letzte musikalische Phrase, als wollte sie Premek noch ein „Siehst Du, hab ich doch gesagt…“ mitgeben. Wenn ein musikalisches Duo Vertrauen ineinander ausstrahlt, dann das „Duo in Re“.

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Neugieriges Auditorium

Auf dem Programm standen drei Suiten (übrigens alle in G, das machte aus dem Duo in Re eigentlich schon ein Duo in Sol…), ein paar Charakterstücke und – das darf in einem Konzert barocker Musik fast nicht fehlen: Marin Marais Version der Folies d´Espagne (aber welche Version der Folies denn nun die beste ist, darüber wollen wir nicht streiten, lieber Premek).

Marin Marais: der musikalische Fixpunkt des Abends. Die anderen Komponisten sind entweder sein Sohn (Marais hatte 19 Kinder!), seine Schüler oder seine Gegner – sie umkreisen die zentrale Figur, lernen von ihm oder versuchen, ihn zu übertreffen. Und man muß zugestehen: die Suite (natürlich in G) von Antoine Forqueray war eine musikalisches Highlight, voller Farben und technischer Finessen – Marais mochte den Konkurrenten nicht… Über andere Komponisten des Abends (Jacques Morel, Charles Dollé) ist so gut wie nichts bekannt, außer vielleicht der Zeitpunkt, zu dem sie besonders aktiv im Musikleben ihrer Zeit waren. Aber sie haben Musik von feinster Qualität hinterlassen, Musik, die ein Publikum im 21. Jahrhundert begeistern kann.

Das Klappstuhlkonzert am 22. Juni 2016 war wieder ein rundum gelungenes Fest der Sinne. Dazu an einem lauen Sommerabend.

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Geht es den Gästen gut, freuts den Gastgeber

Die Fenster weit geöffnet, kommentierten die Vögel im Garten das musikalische Geschehen – und es entstand eine Einheit klanglichen Erlebens. Und meine Gedanken schweiften hinüber zu einem anderen Franzosen, Olivier Messiaen, der in seiner Musik auch immer wieder den Vögeln nachlauschte und sie zum wichtigen Thema seiner Kompositionen machte. So verband sich Barock mit Moderne, spannte sich für mich ein Bogen über die Zeit.

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Die Hausherrin freut sich über die Gäste.