Die Farben der Gitarre – The Northern Guitar Duo am 29. April 2016

Der April 2016 wird nicht für schönes Wetter berühmt werden. In Rissen wird er manchen aber in Erinnerung bleiben, weil sie das dritte Rissener Klappstuhlkonzert besucht haben. „The Northern Guitar Duo“ – Michael Schröder und Martin Ulleweit entführten das Publikum auf eine gitarristische Zeitreise vom frühen Barock bis in die späte Romantik. Die beiden Gitarristen loteten im Zusammenspiel dabei vor allem den Farbreichtum  der Gitarre aus – Klangfarben: wie kaum ein anderes Instrument ist die Gitarre für das Hervorheben und Einsetzen von Farben geeignet.

Noch herrscht entspannte Vorfreude
Noch herrscht entspannte Vorfreude

William Lawes (1602-1645)  Suite for two guitars

Das begann bereits mit dem ersten Stück von William Lawes, der im englischen Bürgerkrieg sein Leben früh lassen musste und  dem daher nicht genug Zeit gegeben war, seine visionäre, mit ungewöhnlichen Dissonanzen spielende Musik weiter zu entwickeln. Ein großer Unbekannter.

Bernardo Pasquini (1637-1710)  Sonata d-moll

Ganz anders der in jeder Hinsicht barocke Bernardo Pasquini – erfolgreich und berühmt zu Lebzeiten, ein begehrter Lehrer – und ein Lehrwerk führte das Northern Guitar Duo dann auch auf. Ein Frage- und Antwortspiel auf der Gitarre. Und dabei fielen die Antworten, die Schüler Martin Ulleweit dem Lehrer Michael Schröder gab, durchaus frech aus und versuchten an der einen oder anderen Stelle den Lehrer zu übertrumpfen. So ist das nun mal.

Georg Philipp Telemann (1681-1767)  Partie Polonaise

Georg Philipp Telemann kann in einem in Hamburg stattfindenden Konzert eigentlich gar nicht fehlen. Nicht nur, weil er einen Großteil seines Lebens in Hamburg verbracht hat, sondern weil er einer der produktivsten Komponisten der Musikgeschichte überhaupt war. Aus dem Riesenschaffen Telemanns hatten die beiden Gitarristen die tonmalerische „Partie Polonaise“ ausgesucht. In diesem vielsätzigen Werk kommen Harlekinaden vor, wird das Lachen thematisiert oder ein Kampf der Instrumente ausgetragen – und dieser Kampf fiel zur Belustigung des Publikums durchaus heftig aus (und wurde als abschließende zweite Zugabe noch einmal wiederholt).

Luigi Boccherini (1743-1805)  Introduktion und Fandango

Den Abschluss des ersten Teils bildete die berühmte Introduktion und Fandango von Luigi Boccherini, der hauptsächlich Kammermusik schrieb und in diesem Stück spanische Volksmusik verarbeitet hat.  Auch Gitarren können laut sein! Großer Applaus schon zur Pause.

Konzertkonzentration
Konzertkonzentration

In der Pause bildeten Gespräche zwischen Freunden und Nachbarn den Mittelpunkt. Rund vierzig Personen hatten sich im Hause von Bettina Mergemeier eingefunden. Die Schlange vor dem Buffet kann als Zeichen des Erfolgs gesehen werden: die Klappstuhlkonzerte werden so langsam zur Rissener Institution. Und an dieser Stelle ein herzliches Dankeschön an die Gastgeberin, die mit viel Freude (und mancher Mühe) einen großartigen Rahmen für das Konzert geschaffen hat. Ihre Aufforderung, auch bei zukünftigen Konzerten gerne auf sie zurückzukommen, bleibt mir sicher sehr präsent. Bettina, wir kommen wieder….

Bettina Mergemeier ist übrigens eine sehr begabte Malerin. Das Beitragsbild oben beweist das. Viele Gäste waren von ihren abstrakten Landschaften wirklich begeistert.

Antoine de Lhoyer (1768-1852)  Duo Concertant, op. 31 no. 2

Den Auftakt zum zweiten Teil bildete das Duo Concertant des zweiten großen Unbekannten dieses Abends, Antoine de Lhoyer. Lhoyer wird seit einigen Jahren wieder häufiger aufgeführt, und zwar völlig zu Recht, denn die Musik ist von bemerkenswerter Qualität. Dieses Stück, das einzige übrigens, das tatsächlich auch für zwei Gitarren geschrieben wurde, weist eine lichte, typisch frühromantische Klanglichkeit auf. Man hörte förmlich, dass die Instrumente sich freuten, dieses Stück erklingen lassen zu dürfen.

Klappstuhlkonzertveranstalter
Klappstuhlkonzertveranstalter

Johann Kaspar Mertz (1806-1856)  Am Grabe der Geliebten

Und dann wurde es traurig: ein Klassiker des Repertoires für zwei Gitarren ist zweifelsohne das Stück „Am Grabe der Geliebten“ von Johann Kaspar Mertz, des letzten der großen romantischen Wiener Komponisten für Gitarre. Und es ist immer ein Verdienst der Interpreten, Trauer nicht mit Kitsch zu mildern.

Isaac Albeniz (1860-1909)  Danza Espanola

Isaac Albeniz hat zwar nicht für die Gitarre komponiert – aber würde ihn heute kaum noch jemand kennen, wäre seine Klaviermusik nicht für die Gitarre adaptiert worden. Der Danza Espanola klingt so, wie viele erwarten, das Gitarrenmusik klingen müsste – und Albeniz selbst mochte seine Musik lieber, wenn sie von Gitarren gespielt wurde, statt vom Klavier. Man kann den Mann verstehen.

Angel Villoldo (1861-1919)  El Choclo

Zum Abschluss ein echter Hit: „El Choclo“ – der Maiskolben, komponiert von Angel Villoldo, einem argentinischen Pionier des Tango. Ein frivoles Augenzwinkern als Aufforderung, den Abend mit gutem Wein ausklingen zu lassen.

Doch war das Publikum nicht gleich gewillt Michael Schröder und Martin Ulleweit gehen zu lassen. Zugaben folgten. Henrik Rungs „Geschwisterstreit“ ist ein wunderbares musikalisches Kleinod, das zu hören und kennenzulernen den Zuhörer dankbar hinterlässt. Egal, was für ein Wetter draußen herrscht.